La Tentation d'exister
Uraufführung am 13. April 2024 durch das OHES unter der Leitung von Marc Schaefer im Palais de la musique et des congrès in Straßburg. Das Werk ist Marc Schaefer gewidmet.
Instrumentation :
1 Kl. Fl. - 4 Fl. (Fl. 4 spielt Alto Fl.) - 2 Ob. - 1 Englh. - 3 Fg. (Fg. 3 spielt K. Fg.) - 1 Es Kl. - 3 B Kl.
(3 Musiker pro Stimme) - 1 Ba. Kl. - 1 Kb. Kl. - 1 S. Sax. - 2 A. Sax. - 2 T. Sax. - 1 B. Sax. - 1 Ba. Sax. -
6 H. - 3 Trp. Bb - 2 Flh. - 3 Pos. - 2 B. Pos. - 2 Euph. - 1 Tuba - 1 Kontrabass (mind. 4 Musiker) -
2 Hfe. - 1 Kl. - 1 Pauk. - 7 Schlag.
verl. Alfonce Production - dauer ca 30 Minuten
La Tentation d'Exister ist ein Werk, das als Reaktion auf den gleichnamigen Essay von Cioran entstanden ist. Diese Komposition gehört zu einem Diptychon mit „Visions“ für Sinfonieorchester, Chor und Mezzosopran-Solo und behandelt die Themen Existenz, Schöpfung, Zeit und menschliche Bedingung. Das Werk hat nicht das Ziel, das Buch von Cioran zusammenzufassen oder zu kommentieren, sondern reagiert vielmehr auf weitreichendere Ideen, wie das Gefühl der Leere und des Schwindels, das durch seine Lektüre hervorgerufen wird. Das Werk ist in fünf Teile gegliedert, die verschiedene Reflexionsfelder erkunden. Wie der Komponist angibt: " Beim Komponieren dieses Werkes wollte ich zeigen, dass trotz aller Ängste, die uns durchdringen, aller unserer Schwächen, der Wille zu leben stärker bleibt. Das Gefühl von Schönheit ist zutiefst menschlich und treibt uns dazu, das Beste von dem, was der Mensch zu leisten vermag, auszudrücken, einschließlich in der künstlerischen Schöpfung."
I - Beklemmende Schönheit der Welt
Der erste Satz evoziert den Akt der Geburt und des Lebens durch ein unaufhörliches Tremolo. Dieses Tremolo kann als die Genesis einer Angst wahrgenommen werden, die das Individuum sein Leben lang begleiten wird. Es kann jedoch auch als Vibration verstanden werden, die allen Existenzursprung bildet. Dieser Satz gliedert sich in zwei Teile: Der erste, nervös, angespannt und ängstlich, spiegelt das Gewicht und die Größe des Schwindels wider, der mit der menschlichen Bedingung verbunden ist und zwangsläufig die Vorstellung vom Ende hervorruft – eine Angst, die von allen geteilt wird. Danach beruhigt sich die Musik und lässt ein Gefühl von Ruhe und Erhabenheit aufkommen. Denn selbst wenn die menschliche Bedingung nach Ansicht einiger schwierig, kurzlebig und bedeutungslos ist, übersteigt die Schönheit bestimmter Landschaften, Gefühle und Empfindungen diese primitive Angst. Dennoch ist die Angst nie weit entfernt und taucht am Ende des Satzes wieder auf, begleitet von einem Pendel am Glockenspiel, an der Harfe und am Klavier, das das Motiv der zuvor angesprochenen Fülle symbolisiert, wie ein Ticken, das die Zeit darstellt, die weiter verläuft.
II - Kollektive Einsamkeit
Der zweite Satz, der intimer ist, behandelt die Einsamkeit, die unserem Leben inhärent ist. Wir werden allein geboren und sterben allein, leben aber in Gesellschaft. Manchmal holt uns dieses Gefühl der Einsamkeit in unseren Schwierigkeiten ein, sei es konkret oder metaphysisch, und die Anwesenheit anderer kann dieses Gefühl paradoxerweise verstärken. Jedes Leben verläuft individuell, oft ohne offensichtliche Bedeutung, während wir nach einem Sinn für unsere Existenz suchen. Die Angst taucht in der Mitte des Satzes wieder auf, bevor sie verschwindet und Platz für eine Rückkehr zur inneren Ruhe macht, die später im Werk angesprochen wird.
III - Die Versuchung des Teufels
Der dritte Satz konzentriert sich auf die Akzeptanz unserer Schwächen und Feigheiten. Der Tanz, von Natur aus verführerisch, wird hier durch den Walzer dargestellt – einen Tanz, der durch die Epochen hindurchgereicht wurde und sowohl sinnlich als auch furchterregend sein kann, ähnlich dem von Ravel. In diesem Werk ist der Walzer skelettartig und wird dann schwer und gebrochen, was unsere Moralvorstellungen und Werte symbolisiert, die von einer zunehmend individualistischen Gesellschaft in Frage gestellt werden, die uns in unsere Vergesslichkeit und kleinen Feigheiten einsaugt. Dennoch gehören diese Schwächen auch zur Schönheit des Menschen, der sich weigert, durch Computerprogramme ersetzt zu werden. Dieser Satz ist das Herzstück des Werkes, mit zwei Aspekten: Schönheit und Vulgarität (oder Hässlichkeit). Der Mensch ist hin- und hergerissen zwischen diesen beiden Polen und endet damit, seinen menschlichen Schwächen zu erliegen, was dennoch die Schönheit unserer Bedingung darstellt.
IV - Inneres Schweigen
Dieser kontemplative Satz markiert einen Wendepunkt im Werk, das im Gegensatz zu „Visions“ (dem ersten Teil des Diptychons) und dem unerbittlichen Nihilismus von Cioran weder in Depression noch Verzweiflung verfällt. Der innere Rückzugsort, Spiritualität, Ruhe und Frieden sind große Zufluchtsorte für die Menschheit. Spiritualität, wenn sie nicht zu Gewalt, sondern zu Frieden und Solidarität aufruft, kann eine Quelle der Schönheit sein. Der Mensch hat die einzigartige Fähigkeit, die Welt zu betrachten, ihr zuzuhören und mit ihr zu schwingen. Innerer Frieden und Schweigen, hier nicht im Sinne von Leere, gehören zu den schönsten menschlichen Bestrebungen.
V - Das Geräusch der Ameisen
Schließlich spricht der letzte Satz von unserem kleinen Leben, das im Universum wie das der Ameisen erscheint, unruhig und überzeugt davon, im Zentrum der Welt zu stehen. Doch diese kleinen Leben sind unbedeutend, und das ist nicht schlimm. Der letzte Hammer, ähnlich dem von Mahler in seiner sechsten Symphonie, evoziert das Schicksal, das durch menschliche Unruhe und die Vielzahl der Leben auf Unbedeutsamkeit reduziert wird. Hier handelt es sich jedoch mehr um eine filmische Geste, eine Rückzoom, die uns an die Ränder des Universums projiziert, weit entfernt von menschlicher Aufregung. Es bleibt nur die Vibration, das Leben, stärker als die Leere, stärker als der Tod, das Geheimnis dieser Vibration, dieser Frage nach dem Warum des Lebens. Dieser Satz vermischt alle vorhergehenden Motive, um sie durch den letzten Hammerstoß in einer spektakulären Weise auszustoßen.